Ich habe mir vorgenommen, von Anfang an zu schauen, dass ich zwar helfen, unterstützen und mich einbringen, ABER ohne es zu übertreiben, da es mich sonst umhauen wird. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber es ist so. Es ist sehr intensiv und wenn ich es so handeln würde, wie ich solche emotionalen Sachen bis jetzt gehandelt habe, wäre das mehr als ungesund!
Was ich damit meine? Bei den Patientinnen/Patienten ist es zwar schön, wenn ich emphatisch/sensibel auf sie zugehen, dass ich sie spüren, ihre Bedürfnisse wahrnehme (anders kann ich es eh nicht, das macht es automatisch – ich hoffe das klingt nicht angeberisch/arrogant!!!) kann, dass ich aber nicht alles was ich wahrnehme auch (auf meiner Schulter) mitnehmen darf. Und ich glaube, ich darf sagen, dass ich schon fast ein bisschen stolz auf mich bin, wie gut mir das gelingt. Es ist eine ganz neue Erfahrung für mich… und ein wundervolles “Übungsfeld.”
Ich gehe in ein Zimmer hinein, packe zum Beispiel den Koffer aus, der Patient liegt in dieser Zeit auf dem Bett und ruht sich ein bisschen aus. Plötzlich erzählt er mir davon, wie er ein Leben lang geschuftet hat, sich jahrelang für seinen Arbeitgeber aufgeopfert hat, wie ihm dann gekündigt wurde und er sich im „hohen“ Alter neu orientieren und WIEDER schuften musste. Wie er dann, zur Pension, krank geworden ist und nun hier bei uns liegt. Es ist emotional, da ist Wut, Frustration aber auch soooo viel Trauer, weil er realisiert, dass er nun nicht mehr jung , dafür krank ist und dass IHM vielleicht nicht mehr viel Zeit bleibt, doch noch etwas vom Leben zu geniessen. Das ist hammerhart und ja, es lehrt mich so viel
Ich bin da für den Patienten, höre ihm zu, drücke seinen Arm, gebe ihm etwas Wasser zum Trinken, rede beruhigend und verständnisvoll auf ihn ein, bis er wieder zur Ruhe gekommen ist. Ich sage ihm, dass es gut ist, dass er bei uns ist, dass man darauf bedacht ist, dass er wieder auf die Beine kommt. Ich gebe ihm den Rat, sich auch um seine Seele zu kümmern, zu schauen, dass er das Alte hinter sich lassen kann und so die Zeit, von der er hoffentlich noch einige Jahre hat, noch etwas geniessen zu können. Dann frage ich ihn, ob ich noch etwas für Ihn tun kann und wenn nicht, sage ich IHM, dass er sich nun noch etwas ausruhen soll, bis ich ihn für den nächsten Termin abholen komme. Dann gehe ich, tief berührt (weil er sich mir so geöffnet hat, aber vor allem auch weil so eine Geschichte betroffen macht und etwas in mir triggert) aus dem Zimmer raus und lasse die Geschichte im Zimmer. DENN im nächsten Zimmer wartet die nächste Patientin mit IHRER GESCHICHTE.
Weisst du was ich meine? Es gelingt mir wirklich, weil ich es bewusst gewählt habe, die Geschichte im Zimmer zu lassen. Es bringt dem Patienten nichts, wenn ich SEINE Geschichte mit mir mitschleppe, ihr Gewicht auf meinen Schultern spüre und mich von seiner Trauer mitreissen lasse. Natürlich macht es mich traurig, aber es ist SEINE Geschichte, es ist seine Trauer.
Würde ich jede Geschichte zu meiner machen, sprich sie auf meinem Rücken mitnehmen würde, dann könnte ich diesen Job nicht machen.
Auf dem Weg nach Hause, kommen die Geschichten meistens noch einmal hoch. Ich schaue sie mir kurz an, bin noch einmal traurig/berührt, aber dann, wenn ich zu Hause ankomme, lasse ich sie in der Garage los und betrete glücklich und dankbar die Wohnung. Ok, nach jedem Einsatz in der Klinik, träume ich in der darauf folgenden Nacht noch einmal davon, aber dann ist es abgeschlossen. Und ja, es macht halt etwas mit mir, aber durch den Traum wird vieles postwendend verarbeitet und gut ist.
Auch gelingt es mir erstaunlich gut, mich von „anhänglichen“ Patientinnen und Patienten abzugrenzen. Wobei das Wort „abgrenzen“ hier irgendwie falsch klingt. Es ist eher so, dass ich es doch recht gut schaffe, mich zwar auf sie einzulassen, es aber nicht zulasse, dass Sie mich total einvernehmen. Das ist auch recht neu für mich und es braucht etwas Kraft, aber ich habe auch richtig Freude daran, wie gut es mir gelingt.
Und so kann ich da oben in der Klinik wieder so viel über mich selber lernen, so viel Neues umsetzen und das macht mich noch zusätzlich glücklich und dankbar!
Das sind die zwei wichtigsten Erkenntnisse, die ich hatte. Doch es hat noch VIEL mehr in mir ausgelöst. Was genau, teile ich in den nächsten Wochen mit dir.
Jetzt möchte ich noch ein paar Sachen zum Thema „selbständig (im Business) sein“ sagen. Wenn’s dich interessiert, cool Wenn nicht, scrolle nach unten.